Die städtische Kunstsammlung umfasst die Schenkung Haller und weitere Kunstankäufe und Schenkungen und dokumentiert künstlerische Positionen, die für unsere Zeit als relevant erachtet werden. Die Kunstsammlung der Stadt Zofingen wird durch das Ressort Kultur betreut.
Die Sammlung des Vereins Kunsthaus Zofingen fokussiert auf zeitgenössischer Kunst und widerspiegelt das Ausstellungsprogramm.
Claudia Waldner, Oktober 2020
Die Abwesenheit von kulturellen Angeboten machte uns dieses Jahr deren Notwendigkeit bewusst. Kunst und Kultur sind mehr als Konsumgüter. Kunst und Kultur verbinden individuelle Empfindungen und Energien, schaffen Mehrwert und bilden das Fundament einer gesunden Entwicklung unserer Gesellschaft. Kunst und Kultur können ein Ventil sein, Kritik zu üben,
aber auch um Alltagssorgen loszulassen. Es sind nicht die Grossanlässe oder Messehallen, die wir vermissen, sondern es ist der persönliche, direkte Austausch und Beitrag zu einem inneren Gleichgewicht, wenn das kulturelle Angebot wegfällt. Dass in der Kreativität der Schlüssel liegen kann, ist uns schon lange bewusst. Nur verlegen wir diesen oft oder finden im richtigen Moment nicht den passenden Schlüssel zum richtigem Schloss. Ein gutes Archiv ist wie ein Schlüsselbrett unserer Erinnerungen, damit wir schon Erkanntes nicht verlieren und darauf aufbauen können für eine gemeinsame Zukunft.
«zofiscope» (gebildet aus Zofingen und Kaleidoskop) war der Titel eines Kulturfestes, das 1974 dem Massenkonsum mit kreativer Entfaltung entgegenwirken wollte. Unter dem Motiv „Die Stadt als Gestaltungsfeld“ wurde die ganze Bevölkerung zur Betätigung auf verschiedenen Gebieten im Kunst- und Kulturbereich eingeladen. «zofiscope» galt als beispielhaftes Experiment für die Mobilisierung der Bevölkerung einer Kleinstadt. Zofingen stand damals unter dem «zofiscope»-Fieber. Fernsehen, Radio und Printmedien trugen das Kulturfest weit über die regionalen Grenzen hinaus. «zofiscope» sollte eine Plattform für Veränderungen bieten, Sinngebendes aufzeigen und ungeahnte Fähigkeiten wecken. Das Hauptanliegen war eine kreative Entfaltung des Individuums und der Gesellschaft. War die Begeisterung anfangs etwas zögerlich, haben schliesslich über 1000 Personen mitgewirkt. Zu jedem Thema gab es diverse Arbeitsgruppen aus den Bereichen Musik, Theater, Tanz, Kunst, Kultur, Architektur, Film und Fotografie. Obwohl das Festival nicht ergebnisorientiertes Schaffen als Basis anstrebte, sondern das Experimentieren und Ausprobieren ins Zentrum stellte, entstanden ausserordentlich vielfältige und spannende Resultate.
Das Kunsthaus Zofingen wurde erst viele Jahre nach dem «zofiscope» eröffnet. Anlass war die Schenkung der Kunstsammlung von Alice und Richard Haller an die Stadt Zofingen. Kunst sollte weiterhin nah bei der Bevölkerung sein und es sollte einen Ort geben, an dem dieser Austausch möglich ist. 2016, über vierzig Jahre nach dem Ereignis, tauchte nun eine kleine Kiste mit Fotonegativen und Zeitungsartikeln im Nachlass von Richard Haller auf dem Dachstock auf und wurde vom Enkel an das Kunsthaus Zofingen übergeben. Dieses Geschenk war der Beginn einer langen Sammlung von verloren geglaubten Zeitdokumenten. Mit der Ausstellung «zofiscope 74 – Eine Idee ein Rückblick» die 2017 stattfand, wurden nicht nur die Fotonegative und Zeitungsartikel von damals ausgestellt, sondern massgeblich beteiligte Künstler*innen von «zofiscope» in einer Gruppenausstellung wiedervereint. Viele Bewohner*innen von Zofingen und Umgebung sowie weitere Beteiligte steuerten im Kunsthaus nach und nach Bilder, Zeitungsartikel, Filme sowie ihre Erinnerungen und Erlebnisse von 1974 bei. Das Kunsthaus schlug den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart und im Herbst 2017 fand erstmals die dreiteilige Ausstellungsreihe «neoscope» statt. Künstler*innen wurden geladen, um sich mit dem «zofiscope» und dem stetig wachsenden Archiv auseinanderzusetzen. Der Fundus und das Thema von 1974 waren als Inspiration zu verstehen; die Auseinandersetzungen konnten jeweils aufzeigen, wo es Parallelen und Unterschiede in Sichtweisen, aber auch Arbeitsweisen für junge Künstler*innen und Kulturschaffende von heute gibt. Die Künstler*innen suchten Schnittstellen zu Zofingen, der Geschichte, den Menschen vor Ort und banden diese immer wieder in ihre Arbeit mit ein. Mit dem eintägigen Performance-Fenster, das begleitend zur Ausstellungsreihe stattfand, brachten wir drei Jahre in Folge performative Interventionen in den öffentlichen Raum. Es gab direkte Zusammenarbeiten mit anderen Kulturveranstaltern und der Bevölkerung. Dabei ging es nicht nur um die einmalige Kontextverschiebung, den kurzfristigen Bruch mit unseren Gewohnheiten, sondern um das Wiederholen alternativer Formen und Handlungsmöglichkeiten mit der Aussicht auf ein (längerfristiges) Umdenken von eingespielten Verhaltensweisen. In der letzten Ausgabe von «neoscope» 2019 drehte sich dann alles um Raum und Zeit. Den jungen Künstler*innen ging es um das Aufbewahren, Verwalten und Festhalten von Erinnerungen, um analoge Systeme und digitale Ordnungsstrukturen. Um vergangene Vermächtnisse, gegenwärtige Gedanken und den Umgang der Archivierung für die Zukunft. Was bleibt? Welche Erzählungen prägen uns aus der Vergangenheit, welche Erinnerungen nehmen wir in die Gegenwart mit und welche Dinge überliefern wir in die Zukunft? Von 2017 bis heute hat das Kunsthaus Zofingen ein digitales und analoges Archiv aufgebaut und das verlorengegangene Kaleidoskop von Zofingen – das «zofiscope» – Stück für Stück wieder zusammengeführt. Im Dezember 2020 wird die gesamte Recherche nun als Schenkung vom Kunsthaus Zofingen an das Stadtarchiv übergeben.
Kunsthaus Zofingen
General-Guisan-Strasse 12
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